Es ist jetzt 2 Jahre her seit wir das letzte mal gemeinsam Laternenlaufen konnten. Aber ich erinnere mich noch sehr gut daran wie meine damals 2,5 jährige Tochter den ganzen Weg selbstständig mit ihrer, im Verhältnis zum Kind, riesigen Laterne gelaufen ist. Wenn wir sonst spazieren gingen, musste ich sie immer schon nach wenigen Metern tragen. Ich war also entsprechend überrascht und gleichzeitig ganz verzückt mit welcher Ehrfurcht und fast Ernsthaftigkeit sie ihre Aufgabe meisterte.
Damals war sie noch gar nicht im Kindergarten, aber durfte die große Schwester begleiten. Von ihr hatte sie auch die Laterne geliehen, denn ich gehöre zu den Müttern denen immer zu spät einfällt, dass man zum Laternelaufen ja auch eine Laterne braucht.
Die Laternen bei uns im Waldorfkindergarten ähneln sich jedes Jahr im Aufbau. Sie bestehen aus zwei Pappringen, zwischen denen durchscheinendes Papier befestigt ist. Manchmal tropfen die Kinder mit Wachs Punkte darauf, manchmal bekleben sie die Laterne mit Transparentpapier und manchmal wird das Papier gebügelt, damit bunte Wachsmalfarben verlaufen können. Die Kinder dürfen auch selbst einen Stock schnitzen, an dem die Laterne mit Draht und Nagel befestigt wird.
Ich weiß noch wie ich als Waldorf-Neuling überrascht war, wie wenig bildlich und geradezu immer gleich die Laternen doch schienen. Aber damit lag ich falsch. Die Grundstruktur ist gleich und besteht aus Aufgaben, die die Kinder eigenständig oder mit ein wenig Hilfe selbst erledigen können. Die Materialien sind gleich und einfach gehalten. Und doch entsteht jedes Jahr etwas ganz Neues daraus. Es ist ein Rahmen, den die Kinder wiederkennen. Das gibt ihnen Sicherheit, denn sie wissen schon, was auf sie zu kommt. In diesem Rahmen können sie sich wirklich frei ausprobieren, ohne einschränkende Vorgaben wie etwas zu werden und auszusehen hat. Dennoch sind sie nicht haltlos und überfordert von einer Fülle von Möglichkeiten.
In die fertigen Laternen kommt zuletzt eine echte Kerze. Das fasziniert die Kinder und lässt ihre Augen respektvoll glänzen. Die Kleinen bekommen mit dem Licht der Kerze etwas anvertraut, von dem sie wissen, dass es Helligkeit und große Wärme erzeugt, aber bei falschem Gebrauch auch Schaden anrichten kann. Dieses Zu-trauen macht sie stolz.
Das flackernde Licht tragen die Kinder singend in die Dunkelheit und drängen diese damit zurück. Sie können genau sehen wie weit der Schein der eigenen Laterne reicht und wie er sich vergrößert, wenn sie nebeneinander gehen. Finsternis ist etwas, das meine Kinder sonst selten erleben, denn wir gehen meistens rein, wenn es dämmert und knipsen das Licht an. Vielleicht ist das Spiel von hell und dunkel in der Martinsnacht auch deshalb so fesselnd für sie.
Im Kindergarten wird das Laternenlaufen übrigens nicht mit dem hier üblichen St. Martinsbrauch verbunden. Die beiden Bräuche haben sich in manchen Regionen wohl eher zufällig vermischt. Ich bin gespannt wie mein Kindergartenkind dieses Jahr das Laternenlaufen finden wird. Ob die Strecke mit zunehmendem Alter länger erscheint? Ich hoffe nicht! Mein Rücken fände das gar nicht gut.
Für unser Laternenlaufen wurden uns dieses Jahr Martinsbrezeln von der Bäckerei Nussbaumer gespendet. Hierfür bedanken wir uns recht herzlich.